Was kann die ayurvedische Medizin?

Die Fragen aus der Diskussionsrunde sind rot gekennzeichnet und mit einem * versehen.

Das Immanuel-Krankenhaus, ein Lehrkrankenhaus der Charité, verfügt über eine umfangreiche Naturheilkundeabteilung mit 60 Betten unter Dr. Andreas Michalsen, welche nicht nur mit Ayurveda, sondern auch mit hiesiger Naturheilkunde und Akupunktur arbeitet. 

Online-Vortrag von Elmar Stapelfeldt, Charité - Organisiert vom Psoriasis-Netz

Es gibt auch Tageskliniken für psychische und onkologische Themen und eine spezielle Heilpraktikersprechstunde mit europäischer, chinesischer und ayurvedischer Naturheilkunde. Alle drei Monate kann ein Besuch über eine ärztliche Sprechstunde abgerechnet werden, therapeutische Anwendungen sind Selbstzahlerleistung. Das Krankenhaus ist außerdem ein Studienzentrum, meist laufen dort an die zehn Studien – auch zu Ayurveda – parallel. Der Vortragende Herr Stapelfeldt hält eine Heilpraktikersprechstunde rein zu Ayurveda.

Ayurveda, welches als ein sehr umfangreiches Naturheilkunde-System mit verschiedenen therapeutischen Ansätzen und eigenen Vorstellungen von der Entstehung von Krankheiten bezeichnet wird, ist Objekt von immer mehr Veröffentlichungen und Medienbeiträgen. Die jahrtausendealte Erfahrung und das empirische Heilwissen, auf denen dieses basiert, wird heutzutage durch immer mehr moderne Studien überprüft. Durch die langen Tests und die Erfahrung hat sich Wirksames mit der Zeit herausgefiltert. Die wissenschaftlichen Studien dienen als Stütze, da die Übersetzung aus alten Darstellungsweisen in die moderne Zeit eine große Herausforderung darstellt.

Für die Beschreibung der Mechanismen und die Entstehung der Erkrankung gibt es im Ayurveda eine eigene Terminologie. Eine dosha ist ein System, das Zusammenhänge herstellt – Ayurveda eignet sich sowohl für die individuelle Betrachtung von Faktoren als auch für Zusammenhänge aus verschiedenen Bereichen unseres Daseins und betrachtet den Menschen als Ganzes. Es gibt keine Typenlehre, sondern Beschreibungen der Zusammensetzung unseres inneren Milieus. Jeder Patient wird als Individuum unter einer ganzheitlichen Betrachtungsweise wahrgenommen, auch Psyche und Spiritualität spielen eine große Rolle. Bei Hauterkrankungen wird es empfohlen, auf sehr feinstoffliche Aspekte zurückzugreifen. Ayurveda weist ein sehr großes Therapiespektrum auf und besteht aus Ernährung, Verhaltensempfehlungen, Heilpflanzen oder auch Ausleitungen – anders als mit Schulmedizin sind diese Methoden milde in der Wirkung und können Synergien ergeben, welche eine große Wirkung bedingen. Ayurveda leistet einen großen Beitrag zu Gesundheitsförderung, Prävention und Selbstwirksamkeit, ist in den westlichen Ländern in seinen Möglichkeiten allerdings eingeschränkt. Es ist oft undogmatisch und in den klassischen Schriften sehr weltoffen – in Mitteleuropa befindet sich Ayurveda am Ende der Pionierphase und geht langsam in Etabliertheit über.

Es gibt drei verschiedene Ebenen.

Auf der höchsten konzeptionellen Ebene finden sich drei Ansätze, die die Ebenen des Daseins widerspiegeln. Diese sind: Die gängigen Verfahren der Naturheilkunde mit Fokus auf der körperlichen Seite, intensive Konzepte mit der Psyche und feinstoffliche Methoden auf der Grundlage der Konzepte, die durch die eigentlich genutzten Dinge nicht erklärlich sind wie Gebete, Edelsteintherapie oder Wallfahrten, also spirituelle Therapien.

Auf der nächsten Ebene befindet sich die Ursachenvermeidung, das Ausgleichen oder Ausleiten. Die Ursachenvermeidung ist natürlich wichtig, hier finden sich Aspekte der

Ernährung und Lebensführung. Die doshas, also die Konzepte, die aus ayurvedischer Sicht Krankheiten hervorrufen, können ganz und gar aus dem Körper beseitigt oder ausgeglichen werden – dies geschieht über die Gestaltung des inneren Milieus. So kann man Übersäuerung durch Nahrungsmittel oder Heilpflanzen konventionell ausgleichen, zum Beispiel durch Empfehlungen bezüglich der Ernährung, der Tagesgestaltung, des Verhaltens oder der Medikation. Auch eine Ausleitung, welche sich viel invasiver und intensiver zeigt, ist möglich. Hierfür gibt es drei Ansätze: die innerliche Ausleitung über naturheilkundliche Verfahren, beispielsweise über den Magen-Darm-Trakt, Ausleitungen über die Haut oder chirurgische Ausleitungen – diese spielen bei Hauterkrankungen allerdings eine untergeordnete Rolle. Ein Ausgleich über Ernährung und Verhalten ist am anwendungsfreundlichsten.

Die Hauptindikation für Ayurveda-Behandlungen sind funktionelle Störungen, beispielsweise weniger tief verwurzelte Befindlichkeitsstörungen oder chronische Erkrankungen mit psychischer Komponente wie die Psoriasis. Die Behandlung schwerwiegender Erkrankungen und Erkrankungsstadien lässt sich wegen der ausgeprägten Infrastruktur in Indien oder Südostasien besser durchführen als im Westen.

Der Hauptunterschied zwischen der Schuldmedizin und der Naturheilkunde liegt in den Denkmodellen. Während die Schulmedizin nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip arbeitet und versucht, einen Wirkstoff für für ein Krankheitsgeschehen zu finden, arbeitet die Naturheilkunde nach der Saat-Feld-Herangehensweise. Sie berücksichtigt die verschiedenen Bedingungen und äußeren Faktoren und versucht im Falle eines Infekts, die innere Atmosphäre des Patienten so zu gestalten und zu beeinflussen, dass dieser keinen Nährboden hat. Sie richtet sich also auf die Umstimmung des inneren Milieus und Eigenschaften aus statt auf Biochemie und Moleküle.

Es gibt verschiedene Formen der Psoriasis: mal steht eine Rötung im Vordergrund, mal Juckreiz oder Trockenheit – die individuelle Ausprägung steht im Vordergrund und sollte unterschiedlich behandelt werden. Die Psoriasis ist ein Hitzephänomen und zeigt sich als Spiegel dessen, was tiefer im Körper vorzufinden ist – der Atmosphäregeber Blut ist zu sauer, zu heiß, zu scharf. Der prädisponierte Typ für die Entwicklung von Hauterkrankungen ist pitta – er weist stark ausgeprägte Eigenschaften auf, zum Beispiel die mittlere Statur, die Neigung zu Hitze auf der Haut, frühzeitiges Ergrauen, Neigung zu Hauterkrankungen und Entzündungen. Allerdings spielen hier viele weitere individuelle Faktoren mit hinein. Über die doshas lassen sich Mehrfacherkrankungen in Beziehung setzen – in diesem Fall zum Beispiel sehr viel Säurebildung, Hitzewallungen oder andere Entzündungen.

Alles, was auf pitta aktivierend wirkt, hat auch schlechten Einfluss auf die Haut. Saure, scharfe und frittierte Lebensmittel sind ungünstig, unreine Lebensmittel machen unreines Blut. Außerdem gibt es besondere Beschreibungen von Kombinationen, die man meiden sollte – Milch sollte nicht mit sauren oder salzigen Nahrungsmitteln kombiniert werden, sehr viel Hitze und Sonne wirkt sich auch negativ aus. Besonders im Herbst ist dieser Typ vorherrschend und bildet sich stärker aus. Generelle Therapiestrategien sind die pittareduktion durch kühle und bittere Maßnahmen oder die Blutreinigung; gewisse Verunreinigung des inneren Milieus sorgen für symptomatische Haut. Zur Reinigung können stationäre Ausleitungen über den Magen-Darm-Trakt, Aderlass oder eine lokale Blutreinigung wie die Blutegeltherapie dienen, besonders dann, wenn die Psoriasis schwerwiegend ist. Das muss aber nicht sein – eigentlich gibt es immer den Versuch, mit ausgleichenden Maßnahmen wie Ernährung und Lebensführung oder Medikamenten zu beginnen und die Ausleitung ist bei Hartnäckigkeit durchzuführen.

In Indien gibt es sehr umfangreiche Packungen, was hier wegen der Rohstoffverfügbarkeit leider nur sehr bedingt möglich ist. Bitterer Geschmack bei Nahrungsmitteln hat eine blutreinigende Wirkung, Betroffene sollten zudem darauf achten, dass möglich wenig Saures, Scharfes, Frittiertes und schwer Verdauliches zu sich genommen wird. Da sich die emotionale Lage und das Stresslevel stark auswirkt, sind entspannende Maßnahmen sehr wichtig. Es gibt zudem jede Menge Heilpflanzen, hier ist zum Beispiel Färberwurzel erhältlich. Auch Kurkuma hat eine starke blutreinigende Wirkung, als Heilmittel kann sie (am besten in Bioqualität) gut mit Färberwurzel kombiniert werden. Eine psychisch ausgeprägte Komponente eröffnet weitere Optionen, hierfür sind Schwefelpräparate intensiv wirksam.

Für die Ernährung bei Psoriasis werden bittere Gewürze, Nahrungsmittel oder Tees (zum Beispiel Leber-Galle-Tee aus der Apotheke) empfohlen, außerdem leichte Lebensmittel, die wenig Schweregefühl im Magen-Darm-Trakt vermitteln. Gut geeignet ist eine überwiegend vegetarische Kost mit warmen Mahlzeiten. Es sollten zwei bis drei Mahlzeiten am Tag und keine Zwischenmahlzeiten gegessen werden. Morgens empfiehlt sich Getreidebrei, mittags die Hauptmahlzeit, weil wir da die Hauptverdauungszeit erreichen. Abends sollte man früh essen, zum Beispiel Suppen, Eintöpfe, Reis- oder Kartoffelgerichte, Gemüsegerichte, Cous Cous, Bulgur oder Quinoa. Abgeraten wird von nicht-vegetarischen Lebensmitteln, Frittiertem, Käse, Quark oder Joghurt.

Ghee ist geklärte Butter und wird im Ayurveda als therapeutisches Nahrungsmittel angewendet; es gilt als eines der besten Nahrungsmittel bei Psoriasis und ist besonders geeignet, wenn die Schuppung bei der Erkrankung im Vordergrund steht. Zur Herstellung wird Butter lang ausgekocht und dann gefiltert. Die reinigende Wirkung von Ghee, was auf dem Brot, beim Kochen und in Süßspeisen als Butterersatz dient, geht bis tief ins Gewebe und eignet sich zur Vorbereitung von Ausleitungsverfahren.

Salziger Geschmack ist hingegen wieder mit Vorsicht zu genießen, am besten eignet sich das milde Himalayasalz. Auch auf Essig, sauer Eingelegtes, Zitrusfrüchte, Kiwi und Ananas sollte man verzichten – Tomaten sollten durch rote Paprika ersetzt oder entkernt werden, außerdem gibt es von ihnen süße Sorten. Sehr scharfe Gewürze wie Chili, Cayenne, Tabasco, Meerrettich und Senf erhitzen das Blut zu stark – auch Ingwer und Pfeffer werden für Psoriatiker nicht empfohlen. Ingwertee sollte durch Kurkumatee ersetzt werden. Auch schwer verdauliche klebrige Nahrungsmittel sind nicht gut, beispielsweise dichte Milchprodukte und Käse; man sollte zudem darauf achten, dass man keine Verstopfung hat, da die Verunreinigung in diesem Fall nicht natürlich gelöst werden kann. Sanftes Früchtepulver zur Erleichterung oder Ausleitungstage mit Rizinusöl können hier unterstützen. Auf Fleisch und Wurst sollte besonders morgens und abends verzichtet werden, auch weißer Zucker ist nicht zuträglich. Zwischendurch sollte man nicht essen, um dem Verdauungstrakt Zeit geben, richtig zu arbeiten. Intermittierendes Fasten ist hilfreich, weshalb man das Frühstück klein halten oder darauf verzichten sollte.

Auch Sonne, Licht und Schwitzen ist sehr hilfreich, Kleidung aus natürlichen Stoffen ist besser als synthetische Fasern.

Stabilisierende Verfahren sind wichtig für die Psyche, im Ayurveda gibt es unter Anderem Yoga und Meditation, Waldbaden, Massagen mit hautheilenden Ölen und Atemregulation, wobei die Meditation als Königsdisziplin angesehen wird. Nach Mahlzeiten zu schlafen ist nicht empfohlen, da so die Stoffwechselleistungen behindert werden – dadurch werden Verunreinigungen begünstigt.

Ganz wichtig ist der individuelle Ansatz und Beratung durch Fachleute.

Säure verändert das innere Milieu und begünstigt Hauterkrankungen, ebenso wie Scharfes und Frittiertes, was schwer und heiß ist. Gewürze mit Bitterstoffen (Kurkuma, Oregano, Majoran) und Präparate aus der Apotheke und dem Reformhaus sind hingegen empfehlenswert. Zwei- bis dreimal täglich einen Teelöffel Kurkuma in Wasser einzurühren und zu trinken wirkt hauttherapeutisch und führt dem Körper Bitterstoffe zu. Es wird dazu geraten, leicht verdauliche und warme Kost in gewisser Regelmäßigkeit mit genügend Zeit dazwischen zu sich zu nehmen, mittags die Hauptmahlzeit und abends möglichst früh zu essen. Jede Mahlzeit ist Arbeit für den Körper und den Stoffwechsel, je mehr und unregelmäßiger man isst, desto schwieriger und energiezehrender ist die Verdauung für den Körper.

Wenn es möglich ist, sind Ausleitungstage mit Fasten, Einläufen und Abführungstage empfohlen. Eine Blutspende fungiert als direkte Blutreinigung und wichtige Form der Ausleitung. Hiermit sollte man allerdings nicht übertreiben und sich an das eigene Kräftereservoir anpassen; im Ayurveda nutzt man kleinere, frequente Aderlässe. Auch Aloe Vera, Sandelholz, Rosenwasser und schwefelhaltige Präparate in Reinform haben sich im Ayurveda bewährt. Auch die Gefühlsebene muss ausgeglichen sein. 

*Wendet man Ghee nur innerlich an oder auch äußerlich?

*Wie sieht ein ayurvedisches Frühstück aus, kann man Müsli essen? Und wie ist es dann mit Milch oder Joghurt?

Milch lässt sich kombinieren, lieber als Müsli machen wir Porridge. Das Getreide wird aufgekocht und ist dann leichter verdaulich und warm. Man kann das auch ganz toll mit Gewürzen kombinieren, Kurkuma oder Safran wären da gut oder ein bisschen Rosenwasser – saure Früchte sollte man lieber weglassen, aber mit anderem Obst und Nüssen gibt das eine schöne Frühstücksspeise, die auch nicht viel länger in der Zubereitung dauert. 

*Wie ist Wasserkefir einzustufen? 

Wenn er sauer ist, sind wir da sehr vorsichtig. Wir weichen da auch dann von anderen naturheilkundlichen Formen ab, es gibt Argumente für und gegen alles. Ich vertraue dem Ayurveda, weil er so lang Zeit hatte, sich zu beweisen. Ich denke Wasserkefir ist besser geeignet als Joghurt oder Käse, wir würden aber Milch und Sahne in allerbester Qualität empfehlen und die Milch aufkochen, dies sollte man dann aber wieder nicht mit sauren oder scharfen Lebensmitteln kombinieren. Bei starken Beschwerden würde die Ayurvedalehre aus Indien da kritischer mit umgehen, in Maßen ist es aber vermutlich ok.

*Und fermentierte Lebensmittel? 

 

Das ist ein ähnliches Thema. Alles, was säuerlich schmeckt, wäre mit Vorsicht zu genießen. 

*Womit sollen Haferflocken aufgekocht werden? 

Sie können Wasser nehmen, Milch oder Saft, wichtig ist nur, dass sie aufgekocht werden. Hafer ist ein sehr gutes Getreide, das ideale Getreide wäre Gerste – Gerstenflocken oder Gerstenbulgur, Grieß, Graupen, Couscous – da kann man sehr kreativ werden. 

*Ich habe schon einmal einen Experten befragt, der sagte, dass die Bioverfügbarkeit von Kurkuma im Magen so schlecht ist, dass es nichts bringt, Pulver zu schlucken. Haben sie auch Erfahrungen mit Kapseln?

Also wir machen im Ayurveda seit Jahrhunderten die Erfahrung, dass die natürliche Grundform und die feinpulverisierte Form für den Körper durchaus zur Verfügung steht. Allerdings können sie auch die Kapseln benutzen. 

Zusammenfassung Amelie Weydringer