Dieser Artikel gliedert sich in zwei Teile. Im ersten werden wir die allgemeinen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsminderung,
im zweiten Teil geht es um die Beurteilung der gesundheitlichen Situation der Antragsteller, also um die medizinischen Voraussetzungen.
Wenn ein Versicherter wegen einer schweren oder chronischen Erkrankung oder auch wegen der Folgen eines Unfalles nicht mehr oder nur noch stundenweise arbeiten kann, zahlt die gesetzliche Rentenversicherung unter bestimmten Voraussetzungen eine Rente wegen Erwerbsminderung.
Zu den allgemeinen Voraussetzungen gehört, dass die Altersgrenze für den Bezug der Regelaltersrente noch nicht erreicht ist. Außerdem gilt der Grundsatz „Reha vor Rente“. Zunächst prüft deshalb der Rentenversicherungsträger, ob die Erwerbsfähig-keit durch eine medizinische oder berufliche Rehabilitationsmaßnahme wieder her-gestellt werden kann.
Wenn das nicht möglich ist, wird beurteilt, in welchem zeitlichen Umfang der Versicherte noch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu arbeiten in der Lage ist. Von diesem restlichen Leistungsvermögen hängt ab, ob eine Rente wegen voller oder wegen teilweiser Erwerbsminderung in Frage kommen kann.
Medizinische Voraussetzungen
Die medizinischen Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsminderung sind erfüllt, wenn der Antragsteller nicht mehr mindestens 6 Stunden täglich zu arbeiten in der Lage ist, und zwar nicht nur im bisherigen Beruf, sondern in allen beruflichen Tätigkeiten.
Versicherungsrechtliche Voraussetzungen
Die Wartezeit von mindestens 5 Versicherungsjahren (60 Kalendermonaten) muss erfüllt sein.
Die Wartezeit ist vorzeitig erfüllt im Falle eines Arbeitsunfalles, einer Berufskrankheit sowie im Falle einer vollen Minderung der Erwerbsfähigkeit vor Ablauf von 6 Jahren nach Beendigung einer Ausbildung, wenn in den letzten 2 Jahren mindestens 1 Jahr Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit gezahlt wurden.
Zusätzlich müssen in den letzten 5 Jahren vor dem Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre (36 Kalendermonate) mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit belegt sein.
Hier gilt eine Übergangsregelung:
Wer bereits vor dem 01.01.1984 die Wartezeit von 5 Jahren erfüllt hatte, kann auch rentenberechtigt ohne 3 Jahre Pflichtbeitragszahlung im Fünfjahreszeitraum sein. Voraussetzung dafür ist, dass die Zeit vom 01.01.1984 bis zum Eintritt der Erwerbs-minderung lückenlos mit sogenannten Anwartschaftserhaltungszeiten (zum Beispiel mit freiwilligen Beiträgen) belegt ist.
Halbe Arbeitskraft = halbe Rente
Teilweise erwerbsgemindert ist jemand, der wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allge-meinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich zu arbeiten. Die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung ist daher auch nur halb so hoch wie die Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Teilweise Erwerbsminderung liegt vor, wenn die Leistungskraft auf weniger als 6 Stunden täglich gesunken ist, aber noch für mindestens 3 Stunden täglich besteht.
Was gilt, wenn es keine Teilzeitarbeit gibt?
In solchen Fällen kann eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, also die volle Rente, gezahlt werden, auch wenn aus medizinischer Sicht nur eine teilweise Erwerbsminderung vorliegt. Voraussetzung dafür ist, dass Arbeitslosigkeit vorliegt und ein Teilzeitarbeitsplatz nicht vorhanden ist.
Für Versicherte, die vor dem 02.01.1961 geboren wurden, ist eine Besonderheit zu beachten. Hier gilt eine Vertrauensschutzregelung. So können solche Versicherte bei gesundheitlichen Einschränkungen allein in ihrem Beruf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit bekommen. Diese Rente wird an Versicherte gezahlt, die ihren bisherigen Beruf oder einen möglichen Verweisungsberuf nicht mehr oder nur noch weniger als 6 Stunden täglich ausüben können. Ein Verweisungsberuf muss dem Leistungsvermögen und den Fähigkeiten des betreffenden Versicherten entsprechen und im Hinblick auf die Ausbildung, den bisherigen beruflichen Werdegang und die erlangte soziale Stellung zumutbar sein.
Volle Erwerbsminderung = volle Rente
Voll erwerbsgemindert ist jemand, der wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich zu arbeiten.
Voller Erwerbsminderung liegt vor, wenn die Leistungskraft auf weniger als 3 Stunden täglich gesunken ist.
Die Zurechnungszeit
Wenn jemand eine Rente wegen Erwerbsminderung schon in jungen Jahren nach nur wenigen Versicherungsjahren bezieht und die Rente nur nach den tatsächlichen Versicherungszeiten berechnet werden würde, dann würde sie wohl in vielen Fällen nicht zur Bestreitung des Lebensunterhaltes ausreichen. Aus diesem Grunde gibt es die sogenannte Zurechnungszeit. Sie ist die Zeit zwischen dem Eintritt der Erwerbs-minderung und dem vollendeten 60. Lebensjahr. Vereinfacht gesagt wird jeder jüngere Versicherte im Falle der Zubilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung so gestellt, als hätte er das 60. Lebensjahr vollendet. Die Zurechnungszeit wird mit dem Durchschnittswert der zurückgelegten Versicherungsjahre bewertet und steigert so die Höhe der Rente.
Gibt es Abschläge?
Beginnt die Rente vor einem bestimmten Lebensjahr, müssen die Versicherten Rentenabschläge in Kauf nehmen. Durch den Abschlag soll der Rentenbezug vor der Regelaltersgrenze ausgeglichen werden. Für jeden Monat vor der Vollendung des 63. Lebensjahres und 7 Monate wird bei Rentenbeginn im Jahr 2013 die Rente um einen Abschlag von 0,3 Prozent je Monat, höchstens jedoch um 10,8 Prozent, vermindert. Die für das Jahr 2013 genannte Altersgrenze steigt bis zum Jahr 2024 auf das 65. Lebensjahr an. Hat allerdings ein Versicherter 35 Versicherungsjahre mit Pflichtbeiträgen und Berücksichtigungszeiten belegt, so bleibt es bei dem Alter von 63 Jahren für die abschlagsfreie Rente.
Zusammenfassung: Wolfgang Becker
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