Achtsamkeit bedeutet, den gegenwärtigen Moment bewusst wahrzunehmen – ohne zu bewerten und ohne auf ein konkretes Ziel hinzuarbeiten. Sie umfasst die bewusste Beobachtung des eigenen Körpers, der Umgebung sowie der eigenen Gedanken und Gefühle.
Ein Mangel an Achtsamkeit geht häufig mit automatischem Verhalten und dem Gefühl geringer Selbstkontrolle einher.
Bei chronischen Schmerzpatienten wurde ein Zusammenhang zwischen Achtsamkeit und der sogenannten Schmerzkatastrophisierung festgestellt. Ein ähnlicher Zusammenhang zeigt sich auch beim chronischen Juckreiz: Achtsamkeitsaspekte wie Wahrnehmung, nicht urteilendes Bewusstsein und mitfühlendes Handeln stehen in Beziehung zur Juckreizkatastrophisierung. Das unterstreicht, dass Juckreiz nicht nur ein physisches Symptom ist, sondern auch durch kognitive und emotionale Faktoren beeinflusst wird.
Achtsamkeitsbasierte Therapieansätze zielen weniger auf eine direkte Veränderung der Symptome, sondern vielmehr auf eine veränderte Reaktion darauf ab. Diese Form der kognitiven Verhaltenstherapie kann zunächst auf Widerstand stoßen, da sie das Erleben von Leiden als natürlichen Bestandteil des Menschseins versteht. Ihr Ziel ist es, eine dezentrierte, nicht-reaktive Haltung zu fördern, die es ermöglicht, belastende Gedanken und Empfindungen gelassener zu verarbeiten.
Sowohl innere als auch äußere Einflussfaktoren spielen eine wichtige Rolle bei der Wahrnehmung und Intensität von Juckreiz – insbesondere bei Hauterkrankungen wie Psoriasis. Achtsamkeit kann helfen, die Wahrnehmung des Juckreizes positiv zu beeinflussen. Äußere Faktoren, insbesondere Stress, haben dabei nachweislich einen starken Einfluss auf den Krankheitsverlauf. Auch körperbezogene und vermittelnde Faktoren wie kognitive Verhaltenstherapie und soziale Unterstützung tragen zur Bewältigung bei.
Studien zeigen, dass Patienten mit Psoriasis, die viele belastende Lebensereignisse erfahren haben, häufig stärkeren Juckreiz empfinden. Ein erhöhter emotionaler Stress vor einem Krankheitsschub wird oft mit einem verstärkten Juckreiz während des Schubs in Verbindung gebracht. Auch alltägliche Stressfaktoren stehen in engem Zusammenhang mit dem Verhalten der Patienten und dem Ausmaß des Juckreizes.
Gezielte Trainingsmethoden – etwa Entspannungsübungen oder das sogenannte Body-Mind-Response-Modell (BMR) – haben sich als hilfreich bei chronischem Juckreiz erwiesen, z. B. bei Neurodermitis. Diese Übungen beinhalten Vorstellungen von Körperempfindungen wie Schwere und Wärme in den Armen, das Bild eines gleichmäßigen Herzschlags sowie die Vorstellung einer kühlen Stirn. Wichtig dabei: Der Begriff „Wärme“ sollte bei Patienten mit chronischem Juckreiz vermieden werden. Stattdessen hat sich die Vorstellung „angenehmer Kühle“ als wirksamer erwiesen.
In Kombination mit dem BMR zeigten sich positive Effekte auf Juckreiz und Schlaf bei Psoriasis-Patienten. Die Wirkung war mittel bis stark – besonders im Hinblick auf das Juckempfinden und das Kratzverhalten. Diese Effekte übertrafen sogar die Verbesserungen des Hautbilds sowie die Reduktion von Angst und depressiven Symptomen.
Fazit:
Biopsychosoziale Faktoren spielen eine zentrale Rolle im Umgang mit chronischem Juckreiz und dem damit verbundenen Schmerzverhalten. Verschiedene psychologische Interventionen haben sich in der Behandlung als effektiv erwiesen. Eine individuelle, personalisierte Therapie sollte stets eine sorgfältige psychologische Diagnostik einschließen, um die geeignetsten Maßnahmen zu bestimmen. Achtsamkeitstraining und Entspannungsverfahren stellen wertvolle Ergänzungen in der Behandlung dar. Dennoch sind weitere Studien notwendig, um die genauen Wirkmechanismen und den langfristigen Nutzen von Achtsamkeit bei chronischem Juckreiz besser zu verstehen.
Den gehörten Vortrag habe ich im nachhinein schriftlich zusammen gefasst.
Hier kann man den Vortag original nachlesen
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